Häusliche Gewalt erfolgreich bekämpfen

Sehr geehrte Frau Dr. Köhler,

zu Ihrer Ernennung zur Ministerin gratulieren wir herzlich und wünschen Ihnen für Ihre neue Aufgabe Weisheit, Mut und eine glückliche Hand.

Unser Familienbild wandelt sich. Mit Erfahrungen aus den letzten Jahren braucht man nun nicht mehr kommen, denn wir haben eine Sensibilität in der Väterbewegung geschaffen, das zeigt sich in den Gesprächen der letzten 12 Monate. Jeder weiß heute, was das Cochemer Modell ist, dafür hat die FamFG Reform gesorgt. Im Anhang eine Stellungnahme des Petitionsausschusses aus 2005, eine Stellungnahme zu den vom Petitionsausschuss herangezogenen Hellfeldzahlen und die erste objektive Studie zum Thema häusliche Gewalt gegen Männer aus dem Jahr 2008.

Ich tue mich sehr schwer mit den extremen Ausnahmefällen, weil natürlich Kindestod und Kindeswegnahme sehr schlimm sind. Ich sehe meine Kinder alle 14 Tage und möchte sie gerne häufiger sehen. Das war auch mal so, als ein Gutachten vorschlug, dass die Kinder jeden Dienstag und jedes zweite Wochenende bei mir sein sollten. Zwei Jahre später meinte eine Jugendamtsmitarbeiterin, aus ihrer Erfahrung würden die Dienstagskontakte das Kind belasten und der ständige Wechsel täte ihnen nicht gut. Ohne neues Gutachten schloss sich dieselbe Richterin der Meinung des Jugendamtes an. 

Ich finde diese Willkür beschämend, denn sie hat schwerwiegende Auswirkungen auf meine Bindung zu den Kindern. Ich spiele in deren Alltag keine Rolle mehr, sie wissen nicht wie es ist bei mir Hausaufgaben zu machen, wie ich dafür sorgen würde dass sie pünktlich in der Schule sind, wie ich das organisieren würde, dass sie regelmäßig Gitarre üben. Früher konnten wir Dienstags das Wochenende vorbereiten, nach dem Wochenende konnten wir Dienstags noch mal davon erzählen, Fotos schauen oder so. Und am nächsten Dienstag wieder das nächste Wochenende vorbereiten. Heute hole ich, nach 12 Tagen Abwesenheit, meine Kinder aus Schule und Kindergarten und keiner von uns weiß, wie es dem anderen geht, wir müssen uns erst mal abstimmen wer worauf Lust hat und das Nur-48-Stunden-Wochenende planen, während wir eigentlich schon mittendrin sind. Ich kann zwischendurch mit meinen Kindern nicht mal telefonieren.

Mir kommt auch in den vielen Veröffentlichungen, die rund um die Jugendhilfe formuliert werden, das Kind zu kurz. Es geht um Gelder, Mitarbeiter, Qualifikation. Wie soll ich von diesen Behörden erwarten, dass sie meine Vaterliebe verstehen und die Bindung der Kinder zu mir?

Viele Jugendamt Blogs und andere Veröffentlichungen im Internet sind schockierend und ich bin froh, dass es Menschen gibt, die dies immer wieder thematisieren. Meine persönlichen Stärken liegen eher im humanitären und zwischenmenschlichen Bereich und dort, wo Kinder wirklich gute Betreuung durch ihren Vater erhalten könnten, wenn die Gesetze so angewandt würden wie sie geschrieben und sogar teilweise gemeint sind.

Kürzlich habe ich ein Gespräch mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gehabt, wo es darum ging dass die Kinder bei Trennungen einfach in ein anderes soziales Umfeld umgetopft werden, wenn die Mutter auszieht, und dass es eigentlich gerichtlich geregelt werden sollte, dass Kinder ihr soziales Umfeld erst dann wechseln dürfen, wenn das Kindeswohl beim anderen Elternteil besser gewahrt ist. Wolfgang Bosbach erwiderte sofort dass man von einer Frau, die von ihrem Mann geschlagen wird, nicht verlangen kann, dass sie ihre Kinder zurück lässt. Er merkte selber nicht dass er hiermit die verlassenen Väter unzulässig unter Generalverdacht stellt. Auch mir fiel dies erst nach unserem Gespräch auf.

Was ich mit dem Beispiel sagen will, ist, dass eine Sensibilisierung erzeugt werden muss, denn die Gesellschaft jenseits von Jugendämtern und Gerichten erkennt längst an, dass es auch zahlreiche Männer gibt, die von ihren Frauen geschlagen werden. Im Übrigen ist §2 des GewSchG ja auch geschlechtsneutral geschrieben. Wir brauchen eine Meldestelle, damit wir wenigstens in die Lage kommen, Dunkelziffern annäherungsweise abzuschätzen. Ich war damals hochmotiviert, sämtliche Gesetze für mich zu verwenden. Aber ich fand niemanden, keinen Polizisten, keinen Rechtsanwalt, keinen Jugendamtsmitarbeiter, keine Familienberatungsstelle, keinen Alleinerziehendenverein, keinen Väterverein, der mir hätte beistehen können. Überall findet man Ansprechpartner, vergeudet seine Zeit mit Gesprächen, die dazu führen, dass einem am Ende des Gesprächs gesagt wird "Ich kann Ihnen da auch nicht weiter helfen."  und es werden einem bewusst hilfreiche Kontaktstellen vorenthalten.

Umfragen bestätigen, dass jede vierte Frau in ihrem Leben schon mal Opfer von Gewalt war. Ich habe mal im Freundes- und Bekanntenkreis herumgefragt. Ergebnis: Jeder (!) Mann ist in seinem Leben schon mal geschlagen worden und nicht jeder vierte. Ich persönlich auf der Fußgängerzone von besoffenen Jugendlichen, vom Bäcker auf dem Schulhof, von einer Klassenkameradin und von zwei Ex-Freundinnen. In allen Fällen bin ich abgehauen und fühle mich dennoch nicht als Feigling.

Im Kern stelle ich fest, dass die absolute Mehrheit der Frauen (75%) ein Leben frei von körperlicher Gewalt führt, während dies so gut wie keinem Mann vergönnt ist. Dipl.-Soz. Susanne Vogl veröffentlichte im Januar 2009 ihre Studie der KU Eichstätt und stellt fest:

"Der Anteil der „gewalterfahrenen“ Männer war erstaunlich hoch: 84% (847) hatten in ihrer derzeitigen bzw. in der letzten Partnerschaft, mindestens einmal Gewalt erfahren und 27% (271) lebten sogar in einer stark Gewalt belasteten Beziehung."

Während nur ein viertel der Frauen überhaupt jemals häusliche Gewalt erlebt haben, leben ein viertel der Männer in ständiger Angst in einer stark durch Gewalt belasteten Beziehung. Als Folge der Tabuisierung können Frauen ungeniert zuschlagen, so dass 84% der Männer in dieser oder der letzen Beziehung häusliche Gewalt erfahren haben. Da Tabuisierung grundsätzlich ein Problem fördert und nicht hemmt, ist es durchaus nachvollziehbar dass jede Frau schon mal einen Mann geschubst oder geohrfeigt hat, während die wenigsten von ihnen selber Gewalt durch das andere Geschlecht erfahren haben.

Die "aufnehmende Polizeibeamtin" war in meinem Fall übrigens ein Mann. Es sind nicht nur die Frauen unter den Polizisten auf dem Holzweg. Meine Frau hat mich verprügelt, ist mit dem Stuhl auf mich losgegangen, und ich wurde des Hauses verwiesen. Auch für die Kinder war niemand bereit, die Not anzuerkennen, in der sie sich befinden, wenn ich sie mit der prügelnden Mutter zurück lassen muß, obwohl ich zweieinhalb Stunden darauf bestand, dass die Kinder beschützt werden. Meine Aussage hätte aufgenommen werden müssen und ich hätte eine Dienstaufsichtsbeschwerde schreiben müssen. Aber dazu war ich damals nicht in der Lage.

Auch wir Männer brauchen in einer solchen Situation jemanden, mit dem wir darüber sprechen können, was uns passiert ist. Ich habe die vielen Traumata bis heute nicht aufgearbeitet. Ich habe sogar ein Traumainstitut aufgesucht, keine Zeit, keine Termine (für Männer), auch nicht für privat Versicherte. Zum Test habe ich eine Freundin gebeten, sich anzumelden. Sie bekam 23 Tage später einen Termin (AOK).

Und man muss durchhalten. Ich bin auf der Couch sitzen geblieben, obwohl die Polizisten mich nicht hören wollten. Ich hätte mir gewünscht ich könnte irgend jemanden anrufen der mal kurz vorbei kommt, um für mich da zu sein, so dass die Polizisten mich endlich anhören. Es ging immerhin um meine Kinder, das wertvollste, was ich habe. Aber man findet niemanden der dazu bereit wäre, außer Menschen die selbst zuschlagen wenn sie nicht mehr weiter wissen und einen so eher weiter ins Unrecht setzen würden. Kein Wunder, dass die Polizei keine häusliche Gewalt gegen Männer kennt, wenn sie jeden so abwiegelt wie mich.

Ich wurde damals auch zu keinem Hilfeplangespräch eingeladen. Heute würde mir das nicht mehr passieren, aber es wird ohnehin kein zweites Mal dazu kommen. So wird die Unwissenheit vieler Väter schamlos ausgenutzt.

Folgende Anfrage habe ich an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! geschrieben:

Aus aktuellem Anlass suche ich dringend eine Beratungsstelle, die ein männliches Gewaltopfer berät. Auf der Webseite vaeter-nrw.de finde ich aber gar keinen Hinweis auf das Thema Häusliche Gewalt und auch keine Beratungsstellen zu diesem Thema. Ein Pendant muetter-nrw.de existiert leider nicht, dafür aber eine Seite frauen-nrw.de. Dort wird Werbung gemacht mit dem Slogan "Gewalt ist nicht privat". Ich sehe das genauso, aber auf der frauen-nrw.de Seite finde ich selbstverständlich nur Beratungsstellen für Frauen. Irgendwo muss doch auch eine Seite existieren wo Beratungsstellen für Männer aufgeführt sind?? Herr Laschet schreibt ja auch auf seiner Webseite "Unser Ministerium steht für soziale Gerechtigkeit, für gleiche Chancen von Frauen und Männern." Ein Pendant maenner-nrw.de zu frauen-nrw.de existiert ebenfalls nicht. Wo also muss ich suchen?

Antwort:

vielen Dank für Ihre Mail vom 9. Juli 2009, in der Sie nach einem Beratungsangebot für ein männliches Gewaltopfer fragen.

Eine spezielle Beratungsstelle für männliche Opfer häuslicher Gewalt wird vom Land Nordrhein-Westfalen nicht gefördert. Betroffene können sich aber an die landesgeförderten Ehe- und Lebensberatungssstellen der Kirchen wenden. Die evangelischen Beratungsstellen sind über die Internetadresse http://www.ekir.de/beratung-nrw/ zu finden, die katholischen auf http://www.katholische-onlineberatung.de/

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Ministerium für Generationen, Familie,Frauen

und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen

Referat 412 - Gewalt gegen Frauen

Man fragt sich, warum findet eigentlich keine Förderung statt. Oder anders herum betrachtet, warum werden denn Frauenberatungsstellen gefördert, wenn sich Betroffene an die landesgeförderten Ehe- und Lebensberatungssstellen der Kirchen wenden können.

Palme ist ein vorbildlicher Versuch, alleinerziehende Mütter zu stärken. Aber diese Mütter haben alle Kinder, und diese Kinder haben alle einen Vater, der, wenn er überhaupt Kontakt zu seinen Kindern hat, mal wieder außen vor steht. Die Frauen bekommen hier erneut einen Wissensvorsprung und Hilfeangebote. Aber auch die Väter sind in der Zeit, in der die Kinder bei ihm sind, allein erziehend und brauchen die gleichen Tipps.

In Deutschland fehlte den Vätern lange die Wertschätzung. Heute nehmen sie das nicht mehr so hin und positionieren sich viel selbstbewusster. Der Vater ist der wichtigste Mann in der Familie. Diese Entwicklung dürfen wir in der Väterarbeit nicht verpassen.

Der Düsseldorfer Kreis steht synonym für die Vernetzung der Vereine und Gruppierungen der Vätervereine in und um Düsseldorf und in NRW, die sich der Männer-, Väter- und Jugendamtsopferarbeit widmen. Es ist kein Verein, keine Institution, sondern lebt immer dann auf, wenn sich mehrere Vereine für etwas gemeinsames zusammen tun. So bekommt die Vernetzung einen Namen und ist sowohl für die Vereine als auch für die Menschen, die wir ansprechen, greifbar. Wir arbeiten in Organisationen, die Menschen mit ihren existentiellen Ängsten, ihr Kind zu verlieren, auffangen. Da unsere Arbeit nicht anerkannt ist, arbeiten wir alle ehrenamtlich. In Deutschland gibt es ca. 250 Vereine, die sich der Angst vor der Benachteiligung durch das Jugendamt widmen. Die meisten Vereine wurden von Betroffenen gegründet, die nirgends Hilfe gefunden haben. Diese Vereine sind naturgemäß sehr zersplittert, so dass wir nun daran arbeiten, dass wir uns untereinander vernetzen. Vielleicht findet auch mal ein prominenter Politiker den Weg in die zahlreichen Selbsthilfegruppen, wenn wir es geschafft haben, uns sinnvoll zu vernetzen.

Ihnen möchten wir danken, dass Sie sich weiter so eifrig für die Akzeptanz des väterlichen Rollenbildes einsetzen.

gez.

 

Hartmut J. Wolters                                                                   Horst Schmeil

Kiefernweg 18                                                                          Nauener Chaussee 7

40764 Langenfeld                                                                    14669 Ketzin

Telefon (02173) 968255                                                          Telefon (033233) 306950

Netzwerk Düsseldorfer Kreis                                                   http://www.kvm-ev.de/

 

 

Klaus Walter                                                                            Helge Ebner

Zülpicher Str. 395                                                                    Winsbecker Löh 12

50935 Köln                                                                              45257 Essen

Telefon (0221) 2782684                                                          Telefon (0201) 485196

http://www.mannifest.eu/                                                      http://www.efkir.de/

 

 

[1] Anwort des NRW-Petitionsausschusses

 

http://www.manndat.de/index.php?id=168

 

Anwort des NRW-Petitionsausschusses

Sehr geehrter Herr ...,

 

der Petitionsausschuss hat in seiner Sitzung vom 17.05.2005 Ihr Vorbringen beraten und hierüber folgenden Beschluss gefasst:

Der Petitionsausschuss hat sich über das Anliegen des Petenten unterrichtet. Die Bekämpfung von Gewalt ist seit vielen Jahren ein wichtiger Schwerpunkt der Politik in Nordrhein-Westfalen. In der letzten Legislaturperiode standen Maßnahmen gegen häusliche Gewalt im Vordergrund. Dazu hat der Landtag in seiner Entschließung "Häuslicher Gewalt entschieden entgegentreten: Aktionsplan der Bundesregierung unterstützen und durch Landesaktionsplan begleiten" (Landtagsdrucksache 13/916) ausgeführt, dass die Belange der betroffenen Frauen und Kinder an erster Stelle stehen. Der Landtag verweist auf eine Studie der UNO, wonach jede dritte Frau in Deutschland Gewalterfahrung hat.

Der Petitionsausschuss teilt die Einschätzung, dass Gewalt im sozialen Nahraum ein Phänomen ist, von dem ganz überwiegend Frauen und Kinder als Opfer betroffen sind. Er stützt sich dabei auf die polizeilichen Erfahrungen mit Fällen häuslicher Gewalt.

In Umsetzung des Landesaktionsplans war am 01.01.2002 mit § 34a des Polizeigesetzes (PoIG) eine wichtige gesetzliche Neuregelung in Kraft getreten, die in Fällen häuslicher Gewalt die Polizei ermächtigt, Täter oder Täterinnen für eine bestimmte Zeit aus ihrer Wohnung zu verweisen und so dem Opfer Schutz vor weiterer Gewalt zu bieten. Das Gesetz ist geschlechtsneutral formuliert und wird natürlich ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht der Opfer angewendet.

Nach einer im Januar 2004 abgeschlossenen Sonderauswertung der Polizei Nordrhein-Westfalens zu häuslicher Gewalt (Hellfeldzahlen) waren allerdings 92,3 % der Täter männlich und 7,7 % weiblich; die Opfer von häuslicher Gewalt waren zu 89,4 % weiblichen und 10,6 % männlichen Geschlechts. Da in Nordrhein-Westfalen eine weite Definition von häuslicher Gewalt Anwendung findet, sind in den männlichen Opferzahlen auch Jungen enthalten, die von ihren Eltern geschlagen wurden und auch Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs wurden.

Angesichts dieser eindeutigen Hellfeldzahlen wird in Publikationen der Landesregierung die Problematik häuslicher Gewalt geschlechtsbezogen dargestellt. Denn ein wichtiges Anliegen von Gender-Mainstreaming ist es, unterschiedliche Auswirkungen auf Männer und Frauen aufzudecken. Insbesondere in Medien, wie etwa der Frauenseite der Homepage des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie, die ganz gezielt Frauen ansprechen, muss auf deren besondere Situation eingegangen werden. Dabei wird aber an keiner Stelle ausgeblendet, dass im häuslichen Bereich auch Männer Opfer von Frauengewalt werden.

Die in der Petition angesprochene aktuelle Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend "Gewalt gegen Männer" führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Pilotstudie diente vor allem der Entwicklung eines Befragungsinstrumentariums für eine mögliche spätere Hauptstudie, weil wegen der größeren Tabuisierung von Gewalt gegen Männer davon ausgegangen wird, dass eine Befragung männlicher Gewaltopfer schwierig sein wird. Insgesamt wurden nur rund 200 Männer befragt, deshalb sind die Ergebnisse als nicht repräsentativ zu bewerten.

Die Behauptung des Petenten, in Nordrhein-Westfalen würde von häuslicher Gewalt betroffenen Männern keinerlei Hilfe, Beratung und Information zuteil werden, stimmt nicht. Dazu einige Beispiele:

Der Leitfaden des Innenministeriums "Häusliche Gewalt und polizeiliches Handeln" verwendet insgesamt geschlechtsneutrale Begriffe wie "Opfer" oder "gefährdete Person". Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort unterscheiden bei ihrem Einschreiten in Fällen häuslicher Gewalt nicht nach dem Geschlecht der Opfer. Sie bewerten die Gefahrensituation für die gefährdete Person und treffen ihre Maßnahmen auf der Grundlage von § 34 a PoIG, der für weibliche und männliche Opfer häuslicher Gewalt gleichermaßen verbesserte Schutzmöglichkeiten bietet. Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten weisen männliche Gewaltopfer auf ihre weitergehenden Beratungsmöglichkeiten ebenso hin wie sie dies bei Frauen tun.

Die Landesregierung förderte in den Jahren 2003 und 2004 Maßnahmen zahlreicher örtlicher Vernetzungen gegen häusliche Gewalt. In diesen örtlichen Arbeitsgruppen haben sich zum Teil auch Männerberatungsstellen engagiert.

Von häuslicher Gewalt betroffene Männer finden unter anderem Hilfe in einer der rund 120 vom Land geförderten Ehe- und Lebensberatungsstellen oder bei Einrichtungen wie dem Weißen Ring. Der Petitionsausschuss hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Angebot unzureichend ist.

Im präventiven Bereich finanzierte das Land über mehrere Jahre Kurse zur Selbstbehauptung und Konflikttraining für Mädchen und Jungen an Schulen. Im Mittelpunkt dieses Angebots stand die Aufgabe, sich mit Rollentraditionen unserer Gesellschaft auseinander zu setzen. Insgesamt wurden 1.740 Kurse für Jungen gefördert. Zahlreiche Schulen bieten mittlerweile diese Kurse unabhängig vom Landesprogramm an.

Zur Durchführung dieser Kurse bedarf es qualifizierter Trainer. Deshalb wurde im Auftrag des Landes von der Landesarbeitsgemeinschaft für Jungenarbeit ein Qualifizierungskonzept für Jungentrainer entwickelt und unter dem Titel "Emanzipation hat zwei Gesichter" von der Landesregierung veröffentlicht. Mittlerweile wurden rund 100 Jungentrainer ausgebildet, die die Kurse landesweit anbieten. Ziel ist dabei. durch Begleitung der Jungen den Druck rigider Idealbilder von Männlichkeit abzubauen und das Selbstwertgefühl zu stärken.

Der Petitionsausschuss schließt sich daher dem Anliegen des Petenten nicht an.

(Es folgen Schlusssatz und Grußformel.)

 

[2] Ist häusliche Gewalt männlich?

 

http://www.maennerbuero-trier.de/seite7-4.htm

 

Ist häusliche Gewalt männlich ?

Helmut Wilde

© Beim Autor

 

 

Zusammenfassung:

 

Die Ausübung von Gewalt wird als Phänomen des Geschlechtes eines Menschen angesehen. Grundlegend ist dabei die Annahme, dass “Männer Täter und Frauen Opfer“ seien. Diese Annahme ist zu einem zentralen Bestandteil fachlicher und nichtfachlicher Überzeugungssysteme geworden. Die Zuordnung von Gewalt und Geschlecht erfolgt auf der Grundlage der Interpretation von Hellfeldzahlen und durch die Annahme der patriarchalischen Grundordnung westlicher Gesellschaften. Die Art und Weise der Interpretation und Schlussfolgerungen, die auf der Basis von Hellfeldzahlen getroffen werden, wurden in 7 Thesen diskutiert und relativiert. Dieser Diskussion zufolge ist häusliche Gewalt nicht automatisch dem Geschlechtsrollenstereotyp zuzuordnen, in der Männer Täter und Frauen Opfer wären. Hier sind alle denkbaren Täter-Opfer-Konstellationen möglich, die existent sind, wie auf der Basis von Dunkelfeldstudien für die Bundesrepublik Deutschland gezeigt werden konnte. Werden die hier diskutierten Einschränkungen bezüglich der Interpretation und Aussagekraft von Hellfeldzahlen aufgenommen und die einseitige Favorisierung zugrunde liegender Theorie (These 7) überwunden, so öffnet sich der Blick auf Gewalt, speziell was die Verursachung angeht, für eine Vielzahl möglicher Erklärungsansätze und damit auch möglicher Gewaltakteure und somit für neue Formen der Intervention im Rahmen von Prävention, Beratung und Therapie.

 

 

Gliederung:

 

  1. Einleitung
  2. Häusliche Gewalt im Hellfeld

2.1  Männlichkeit als Erklärungskonstrukt für häusliche Gewalt

2.2  Häusliche Gewalt als ein Merkmal von Ausländern

2.3  Häusliche Gewalt als Phänomen mangelnder sprachlicher Unterscheidung

2.4  Ermittlung der Häufigkeit von Gewalt als wissenschaftliche Aufgabe

2.5  Selektivität als Bestimmungsmerkmal von häuslicher Gewalt

2.6  Häusliche Gewalt im Spannungsfeld von Dichotomie und Interaktionismus

2.7  Häusliche Gewalt vor dem Hintergrund einseitig favorisierender Theorie

  1. Dunkelfeldforschungen in der Bundesrepublik Deutschland

3.1  Die Studie des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen

3.2  Die Studie von Anke Habermehl

3.3  Die Studie von Gerhard Amendt

3.4  Die Studie von Jens Luedtke & Siegfried Lamnek

  1. Erklärungsmodelle für häusliche Gewalt
  2. Literatur

 

 

  1. Einleitung

 

Gewalt im häuslichen Bereich ist in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit vertreten und als soziales Problem anerkannt. Dabei wird zunehmend das Geschlecht als zentrale Variable der Gewaltausübung bestimmt. Männliche Gewaltausübung auf der einen und weibliche Widerfahrnis derselben auf der anderen Seite, werden zu einem zentralen Bestandteil fachlicher und nichtfachlicher Überzeugungssysteme, die Gewaltakteure selektiv verorten und sowohl das öffentliche Vorgehen bei Verwaltung, Polizei und Justiz und auch die Ausrichtung in Beratung und Therapie bestimmen können. Wie diese für selbstverständlich gehaltene Zuordnung von Gewalt und Geschlecht zustande kommt und überwunden werden kann, wird der Autor im Sinne einer notwendigen differentiellen Betrachtungsweise diesem Phänomen gegenüber aufzeigen.

 

In den Sozialwissenschaften verwendet man für Gewalt den Begriff der Aggression. Jedoch möchte ich vorausschicken, dass ein einheitlicher Gewaltbegriff nicht existiert.

 

Definitionen lassen sich danach unterscheiden, ob sie weit oder eng gefasst sind. Die engen Definitionen beinhalten i.d. Regel nur die physische Gewalt zwischen Partnern. Diese Definitionen sind insbesondere in der Rechtssprechung üblich. Die sehr weit gefassten Definitionen wirken inflationär, denn hier kann quasi jedes Verhalten als Gewalt bestimmt werden. Die weiten Definitionen, und diese sind m.E. die angemessen Definitionen, beinhalten sowohl physische als auch psychische Gewalt.

 

Bezüglich der Bedeutsamkeit von Gewaltdefinitionen auf den zu ermittelnden Gegenstand, verweise ich auf die Publikation von Badinter (2004).

 

Lamnek & Ottermann (2004) bieten als “Ausweg“ zu den bisher verwendeten Definitionen eine wertneutrale Definition an: “Gewalt als Handeln meint die Beeinflussung des Verhaltens anderer (Familien, Gesellschaftsmitglieder etc.) mittels (der Androhung oder Anwendung von) physischem oder psychischem Zwang“.

 

 

  1. Häusliche Gewalt im Hellfeld

 

 Die These nach der “Männer Täter und Frauen Opfer“ seien:

 

 liegen Hellfeldzahlen zugrunde.

 

 Die theoretische Grundlage zur ausschließlich männlichen Verursachung von Gewalt, liefert die patriarchalische Grundordnung westlicher Gesellschaften (kurz: Patriarchatsthese genannt).

 

 

Wie sich eine solche scheinbare Bestimmtheit auf die Realität eines Menschen auswirken kann, will ich an zwei Beispielen deutlich machen. Im ersten Beispiel handelt es sich um einen Mann mit Kindern, der sich im Okt. 2004 an mich wandte. Er berichtete, dass die Kindesmutter nicht nur ihn, sondern auch die Kinder im Jahr 2003 fast täglich geschlagen, ihnen die Arme gedreht habe und die Kinder vernachlässige. Vor ca. einem Jahr hätte er wegen dieser Handlungen die Kinder ins Krankenhaus gebracht, dann habe die Kindesmutter ein paar Tage später plötzlich das Sorgerecht für die Kinder beantragt. Sie gebe dabei an, dass nicht sie, sondern der Ehemann die Kinder geschlagen hätte und zudem wolle der Ehemann die Kinder auch entführen. Die Kinder seien nun im Kinderheim untergebracht. Er könne seine 3 Kinder nur alle 14 Tage für 2 Std. im betreuten Umgang besuchen. Dieser würde willkürlich auch noch erschwert. Letztes Mal habe er sie erst nach einem Monat sehen dürfen. In einem Gutachten würde eher dem Ehemann als der Kindesmutter zugestanden, für die Kinder sorgen zu können. Darin würde auch darauf Bezug genommen, dass die Kindesmutter den Ehemann geschlagen hätte und er versucht habe, sich zu wehren. In seinen weiteren Ausführungen, sieht es ganz so aus, dass die Gewaltvorwürfe, die nun von der Frau gegen ihren Ehemann erhoben werden, durch ihn nicht mehr entkräftet werden können, und die sozialen und justitiablen Hilfssysteme ihm keinen Glauben schenken werden.

 

Im zweiten Beispiel geht es um eine Art Hilferuf eines Mannes, der sich ebenfalls im Herbst 2004 an mich wandte. Seine Frau trete als Nebenklägerin auf, um ihn wegen Körperverletzung durch das Gericht verurteilen zu lassen. Vorausgegangen wäre ein Streit mit Rangeleien und Handgreiflichkeiten seitens seiner Frau. Er wehrte sich, hierdurch habe sie blaue Flecken an den Handgelenken und Oberarmen davongetragen. Der Polizei erzählte sie, er hätte sie geschlagen. Sie jammere und weine bei den Aussagen immer hilflos. Seiner Frau werde geglaubt, ihm nicht !

 

Auch im zweiten Beispiel wird die Gewaltausübung der Partnerin nunmehr zu einem Gewaltvorwurf gegen den Mann stilisiert. Die These nach der “Männer Täter und Frauen Opfer“ seien, macht es Männern offenbar schwer, als Opfer von Gewalt wahrgenommen bzw. anerkannt zu werden.

 

Anhand einer aktuellen Studie von Steiner (2004) möchte ich aufzeigen, welche unangemessenen Schlussfolgerungen aus Hellfeldzahlen gezogen werden.

 

 These 1:  Männlichkeit als Erklärungskonstrukt für häusliche Gewalt

 

Die im folgenden genannten Hellfeldzahlen, die für die Stadt Zürich gelten, sind Bestandteil der abgeschlossenen Promotion von Steiner. Im Zeitraum zwischen 1999 und 2001 wurden insgesamt 907 Fälle von häuslicher Gewalt bei der Züricher Polizei ermittelt. Gleichzeitig wurden 711 Täter (das macht 78,4%) gezählt. Die Auswertung zeigte, dass lediglich 8,3 Prozent der Fälle auf eine weibliche Täterschaft entfielen (75 Täterinnen). Innerfamiliäre Konflikte, so die Autorin, die unter Beizug der Polizei gelöst oder entschärft werden müssen, seien deshalb tatsächlich Männersache (vgl. dazu auch die Ausführungen von Popp 2003, Wilde 2002a und Wilde 2002b).

 

Wann immer Hellfeldzahlen in Prozentwerten öffentlich bekannt gegeben werden, sind diese auch auf die Gesamtzahl der in häuslicher Gemeinschaft lebenden Paare zu beziehen. Solche wie im obigen Beispiel aufgezeigt, unpräzise in die öffentliche Diskussion eingebrachten Zahlen verleiten dazu, eine unangemessene Vorstellung über die Gewalttätigkeit von Mann und Frau zu erzeugen.

 

 These 2:  Häusliche Gewalt als ein Merkmal von Ausländern

 

In der Studie von Steiner wurde weiterhin ein auffallend hoher Anteil männlicher Ausländer unter den Tätern festgestellt. Von 711 Tätern waren 462 (das sind 65 Prozent) ausländische Staatsangehörige. Diese Quote erachtet die Autorin als beunruhigend hoch. Die Autorin macht hierzu folgende Ausführungen: .... , dass es zu einfach wäre, von einem reinen Ausländerproblem zu sprechen. Die ausländische Staatsangehörigkeit bilde, wie finanzielle Probleme oder beengte Wohnverhältnisse jedoch einen Stressfaktor, der häusliche Gewalt begünstigen könne. Das Vorliegen mehrerer solcher Stressfaktoren dürfte eher in den unteren sozialen Schichten vorkommen. Die höhere Rate der Fälle von häuslicher Gewalt mit ausländischer Beteiligung müsste demnach eher als “Schichtproblem“ denn als Ausländerproblem bezeichnet werden.

 

Ich frage mich an dieser Stelle, warum die Autorin hier eine Interpretation für die ermittelten Zahlen anbietet, dies aber bezogen auf These 1 unterlässt.

 

These 3: Häusliche Gewalt als Phänomen mangelnder sprachlicher Unterscheidung

 

Über die Häufigkeit einer ermittelten Verteilung im Hellfeld zu sprechen, hier traten in der Studie von Steiner mehr Männer in Erscheinung, und andererseits den Schluss zu ziehen, dass häusliche Gewalt “Männersache“ oder männlich sei, ist nicht zulässig.

 

Graumann zeigt in "Eigenschaften als Problem der Persönlichkeitsforschung" (vgl. Graumann 1960) dass in unserer Sprache bei der Verwendung von Substantiven, Eigenschaftswörtern und Verben, mit denen Personen beschrieben werden, auch etwas über die zeitliche Dauer dieser Merkmale ausgesagt wird. Verben haben die geringste und Substantive die größte Wirkung hinsichtlich ihrer zeitlichen Erstreckung auf Personenbeschreibungen. Eigenschaftswörter, die sehr häufig im Alltag und auch in der Wissenschaft als Beschreibung von Merkmalen bei Personen eingesetzt werden, können nicht als zeitlich überdauernd angesehen werden. Daher findet eine Stigmatisierung und Diskriminierung von Männern statt, wenn von Akteuren in der häuslichen Gewalt diese als "männlich" benannt wird.

 

Zudem ist es in den letzten Jahrzehnten selbstverständlich geworden in der Sprach- und Schriftform das Geschlecht eines Menschen zu unterscheiden. Dies ist in der Berichterstattung über häusliche Gewalt (meistens) nicht der Fall. Da jedoch von weiteren Opfer- und Täterkonstellationen und auch von weiblicher Täterschaft (vgl. Schwithal, B. 2005, Fiebert, M. 2001 und Abschnitt drei dieses Textes) auszugehen ist, sollte diese Unterscheidungsgewohnheit auch hier eingefordert werden.

 

 These 4:  Ermittlung der Häufigkeit von Gewalt als wissenschaftliche Aufgabe

 

Für die Bundesrepublik Deutschland (und Europa) stehen im Vergleich zu Nordamerika wesentlich weniger Studien zur Verfügung, die sich mit männlichen Opfern von häuslicher Gewalt beschäftigt haben. Hier ist es in naher Zukunft Aufgabe der Wissenschaft, diese Lücken zu schließen. Warum diese Forschungsarbeiten in der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht gemacht wurden, möchte ich an dieser Stelle als offene Frage stehen lassen.

 

Folgende innerfamiliäre Gewaltformen sollten in der Bundesrepublik Deutschland und Europa Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen (Studien) werden:

 

 Gewalt von Frauen gegen Kinder, Männer, Frauen und Senioren.

 

 Gewalt von Kindern gegen Kinder und gegen ihre Eltern.

 

 

Eine Lösung des Gewaltproblems im häuslichen Bereich sehe ich nur dann als Möglichkeit gegeben, wenn alle Gewaltformen berücksichtigt und betrachtet werden und darauf aufbauend entsprechende Präventions- und Interventionskonzepte entwickelt werden.

 

 These 5: Selektivität als Bestimmungsmerkmal der ermittelten Häufigkeiten bei häuslicher Gewalt

 

Eine weitere Einschränkung der Aussagekraft von Hellfeldzahlen ergibt sich durch eine Analyse, die Mansel (2003) in seinem Artikel: “Die Selektivität strafrechtlicher Sozialkontrolle“, vorgelegt hat. Auf der Basis von unterschiedlichen Datenquellen analysierte er u.a. Hellfelddaten. Dabei handelte es sich um die vorliegenden Individualdaten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und der Strafverfolgungsstatistik (jeweils Daten von 1999) von 13 Bundesländern, sowie Daten aus Opferbefragungen. So analysierte er anhand dieser Daten, “inwiefern sich für weibliche Tatverdächtige die Wahrscheinlichkeit, später auch durch ein Gericht sanktioniert zu werden, von der bei männlichen Tatverdächtigen unterscheidet“. Er konnte zeigen, dass Opfer, wenn Sie vermuten oder wissen, dass der Täter ein Mann war, seltener auf die Erstattung einer Anzeige verzichten als gegenüber weiblichen Tätern. Männern bereitet es Probleme, sich als Opfer von Frauen zu begreifen. Vor diesem Hintergrund interpretieren sie die gegen sie gerichteten Aktionen der Frauen seltener als Straftaten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann bei Behandlungsbedürftigkeit des Opfers angezeigt wird, ist gegenüber einer Frau, um das fünffache erhöht, d.h. männliche Täter werden fünf mal häufiger von den betroffenen Opfern angezeigt, als Täterinnen. Frauen haben innerhalb des bundesdeutschen Strafrechtssystems deutlich geringere Chancen inhaftiert zu werden. Aus der Analyse dieser Datenquellen zieht Mansel folgendes Fazit: “Die Unterschiede in den Anteilen von männlichen und weiblichen Tätern in den offiziellen Statistiken auf der einen und in der Opferbefragung auf der anderen Seite, zeigen an, das beide Statistiken kaum eine verlässliche Grundlage bilden, um über den Verbreitungsgrad von Straftaten und deren Verteilung auf männliche und weibliche Täter Aussagen zu machen“.

 

These 6: Häusliche Gewalt im Spannungsfeld von dichotomer und interaktionistischer Betrachtungsweise

 

Dichotome Aussagen sind Bestandteil der deskriptiven Statistik. Sie beschreiben zwei unabhängig voneinander bestehende Kategorien, die nicht aufeinander bezogen sind. Eine Kategorie im Kontext von häuslicher Gewalt wäre das Geschlecht eines Menschen. Hier ist nur schwer bzw. nicht vorstellbar, dass Mann und Frau, vor allem dann, wenn sie in einer engen sozialen Beziehung leben, nicht aufeinander bezogen sein sollten. Diese Sichtweise gilt es zu verlassen und die Vereinfachung real existierender Sachverhalte, also die “dichotomische“ Betrachtungsweise, durch eine interaktionistische Sichtweise, d.h. wechselseitig aufeinander bezogenes Verhalten von Mann und Frau, zu ersetzen. In einem Vortrag hat Lupri (2004) vor den Teilnehmern des runden Tisches zur häuslichen Gewalt in Calgary begründet, warum eine interaktionistische Betrachtung den Akteuren von Gewalt gegenüber angemessener sei: ”Intimate relationships are dynamic and reciprocal, inherently ambivalent, often conflicted and contradictory. If they are abusive, certain behaviours or responses in one partner provoke a violent reaction in the other. Thus violence is a relationship issue, not a male issue. To presume that intimate violence is a one-way street or unidirectional, … is a conceptual fallacy” (Lupri 2004).

 

 These 7: Häusliche Gewalt vor dem Hintergrund einseitig favorisierender Theorie

 

Familiäre Gewalt gegen Frauen und Kinder wird auch deshalb als allgegenwärtig angesehen, weil ihr Zustandekommen vor dem Hintergrund gesellschaftlich patriarchalischer Machtstrukturen erklärt wird. Der Begriff Patriarchat in seiner ursprünglichen historischen Fassung (vgl. Gordon 1994) bezeichnet eine Familienform, in der Väter die Kontrolle über Kinder, Frauen und Bedienstete ausübten. Die Power-Control-Theory rekurriert auf patriarchalische Machtstrukturen. Zwei zentrale Elemente dieser Theorie, nämlich Macht und Kontrolle, die häufig herangezogen werden, um das Zustandekommen von Gewalt zu erklären, wurden von Schmitt (2001) hinsichtlich des Zusammenhanges von Geschlecht und Gewalt empirisch geprüft. Sein diesbezügliches Ergebnis: Die in dieser Studie erfolgte Überprüfung der zentralen Annahme, nach der vom Geschlecht auf Gewalt zu schließen wäre, konnte nicht bestätigt werden. Auf heutige gesellschaftliche Verhältnisse bezogen, ist es mir u.a. aus der praktischen Arbeit mit Opfern von häuslicher Gewalt, nicht möglich, diese Vorherrschaft des Mannes (bzw. Vaters) über die Familie als ein zentrales Merkmal wahrzunehmen. In der Buchveröffentlichung "Vatertheorien", es handelt sich dabei um eine Habilitationsschrift, hat Drinck (2005) diese Annahme als Mythos entlarvt: "Doch gab es diesen Pater familias, diesen uneingeschränkten Herrscher über sein Haus, wie er der Antike zugeschrieben wird, wirklich? Nein, meint Drinck, Privatdozentin an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Berlin" (zit. nach Gottfried Oy, tazmag 28.05.05).

 

 

  1. Dunkelfeldforschungen für die Bundesrepublik Deutschland

 

Nun stelle ich Ihnen Dunkelfeldstudien über die Verteilung von Gewalt in heterosexuellen Paarbeziehungen für die Bundesrepublik Deutschland vor. Für Nordamerika verweise ich auf die kommentierte Bibliographie von Fiebert (2001) hin: "References Examining Assaults by Woman on their Spouses or Male Partners:  An annotated Bibliograpy". Dunkelfeldstudien erfassen das Vorhandensein von Gewalt zu einem Zeitpunkt, indem diese noch nicht öffentlich, also im Hellfeld, wahrnehmbar ist.

 

 3.1 Die Studie des kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen

 

An der Repräsentativität dieser Studie bestehen keine Zweifel. An ihr nahmen 15.771 Personen teil. “Für den Bereich der innerfamiliären Gewalt wurde in 5.711 Fällen die Drop-off-Technik als zusätzliche Erhebungsmethode angewandt. Ergänzend zu den mündlichen Interviews wurden die Befragten gebeten einen standardisierten Fragebogen selbständig auszufüllen. Dadurch sollte die Anonymität in besonderem Maß gewährleistet werden und Intervieweffekte, durch die Abwesenheit des Interviewers, reduziert werden. Somit sollte es auch den Menschen, denen es schwer fällt sich im direkten Interview mitzuteilen, erleichtert werden, über ihre Gewalterfahrungen im häuslichen Bereich zu berichten. [...] Der Beziehungskontext der befragten Personen wurde in dieser Studie nicht auf Paarbeziehungen begrenzt, sondern es wurde insgesamt der Kontext enger sozialer Beziehungen vorgegeben, welcher eine Vielzahl möglicher Beziehungskonstellationen beinhaltet: Verwandtschaftsbeziehungen über den Bereich der Kernfamilie hinaus, Ehebeziehungen, nichteheliche Partnerschaften, Beziehungen zu Pflegepersonen oder Haushaltsmitgliedern. [...] In den alten Bundesländern kommt es 1991 in 10,5 % der Fälle zu physischen Gewalttätigkeiten in engen sozialen Beziehungen bei der Altersgruppe der Zwanzig- bis 39-Jährigen, in den neuen Bundesländern liegt die Anzahl bei 7 %. Die Gruppe der 40 bis 59 Jährigen weist in den alten Bundesländern 8,8 % und in den neuen Bundesländern 2,5 % an männlichen Opfern auf" (Arnhold 2004). Dieser Studie zufolge werden 214.000 Männer und 246.000 Frauen pro Jahr Opfer schwerer physischer Gewalt (Bock 2001).

 

 3.2 Die Studie von Anke Habermehl

 

Die Studie von Habermehl (1989) war Bestandteil einer Dissertation an der Universität Bielefeld. Sie befragte 553 Männer und Frauen aus der Bundesrepublik Deutschland und gelangte zu folgenden Ergebnissen: "Von allen Männern und Frauen zwischen 15 und 59 Jahren, die schon einmal einen Partner hatten bzw. die einen Partner haben, waren 63,2 % schon einmal Gewalt ausgesetzt: 68,1 % der Männer und 58 % der Frauen haben schon einmal Gewalt in der Partnerschaft erlebt. 43,3 % der Männer und 34,7 % der Frauen sind schon einmal von einem Partner misshandelt worden, d.h. sie waren einer Form von Gewalt ausgesetzt, die ein Verletzungsrisiko einschließt. [...] Bei der partnerschaftlichen Gewalt besteht nicht nur, wie die Literaturanalysen ergeben haben, ein ausgewogenes Täter-Opfer-Verhältnis zwischen Männern und Frauen, sondern sogar ein leichter Frauenüberschuss auf der Täterseite: Mehr Frauen als Männer setzen Gewalt gegen ihren Partner ein - mehr Männer als Frauen haben schon Gewalt durch ihre Partnerin erlebt. [...]

 

 Nicht nur partnerschaftlicher, sondern auch der elterlichen Gewalt sind mehr Jungen als Mädchen ausgesetzt. Auch hier stimmen die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Untersuchung mit denen der Literatur - Analysen überein“.

 

3.3 Die Studie von Gerhard Amendt

 

Physische Gewalt, die unter Partnern in der Scheidungs- und Trennungsphase auftritt, hat Amendt in seiner sog. Väterstudie mit erhoben (die hier berichteten Zahlen sind ein Zwischenergebnis:

http://www.igg.uni-bremen.de/newsletter/newsletter_1.htm).

 

“Von bislang 700 anonym befragten Männern der zweiten Befragungswelle gaben 203 an, dass es kurz vor oder während ihrer Trennung zu Handgreiflichkeiten gekommen sei. Dazu zählten beispielsweise Schläge ins Gesicht, der Wurf einer Tasse, schmerzhafte Fußtritte wie auch Angriffe mit einem Messer und der Sturz von einer Treppe, den Exfrau und Schwiegermutter vereint herbeiführten. [...] In 18% Prozent der erhobenen Fälle gehen die Handgreiflichkeiten von Männern, in 60 Prozent von ihren Partnerinnen aus. In 22 Prozent der erhobenen Fälle gehen die Handgreiflichkeiten von beiden Partnern aus“.

 

Die Repräsentativität dieser Daten ist – so (auch) Amendt einschränkend gegeben, da die Befragten über ein sehr hohes Einkommens- und Bildungsniveau verfügten, das nicht dem Durchschnitt der Bevölkerung entspreche.

 

Unter heuristischen Gesichtspunkten und als Ausgangspunkt für weitere Forschungen sind diese Zahlen allemal Hinweis genug !

 

 3.4 Die Studie von Luedtke & Lamnek

 

“Gegenstand dieser Studie ist körperliche Gewalt in Familienhaushalten mit zwei biologischen und/ oder sozialen Elternteilen und Kindern im Jugendalter, wobei sowohl Partnergewalt (Mann-Frau und Frau-Mann-Gewalt) sowie Eltern-Kind-Gewalt erfragt wurde. Erhoben wurde jeweils das Gewaltaufkommen (Prävalenz) insgesamt und jenes der letzten 30 Tage“. Es wurden insgesamt 2008 Haushalte befragt. Die Anzahl der Haushalte, die an der Auswertung teilnahmen, beträgt 1236. Die Rücklaufquote beläuft sich somit auf 62,4%. Familien in denen es nicht zur physischen Gewaltanwendung kam, machten einen Anteil von 65,7% aus. Eltern-Kind-Gewalt wurde mit 28,4 % am häufigsten ermittelt (28, 4 % = 351 Kinder). Hoch signifikant ist der Zusammenhang von Partnergewalt und Eltern-Kind-Gewalt. “Unter denen, die schon einmal körperlich gegen den Partner vorgegangen sind, ist auch die Rate derer erheblich größer, die bei der Erziehung ihrer jugendlichen Kinder körperliche Gewalt einsetzen (60%) gegenüber (30,7%) bei denjenigen, die ihren Partner nicht ohrfeigten usw“. Väter und Mütter üben in etwa im gleichen Maße Eltern–Kind–Gewalt aus. Bezogen auf das elterliche Bildungsniveau wurden keine Unterschiede im Gewalthandeln gegenüber den Kindern festgestellt. Nur Partnergewalt wurde in 2,4 % der befragten Familien ermittelt. Partner- und Eltern-Kind-Gewalt wurde in 3,5 % der Familien ermittelt. [...] In dieser Studie geben mehr Männer als Frauen signifikant häufiger an, Gewalt erfahren zu haben. (Luedtke & Lamnek 2002).

 

Resümee: Hellfeldzahlen sind bereits ausgelesene Daten, die den Teil der häuslichen Gewalt öffentlich machen, der derzeit in unserer Gesellschaft bearbeitet wird (Bock 2001, Brauner 2004). Dunkelfeldstudien zeigen, in bezug auf das Geschlecht von Tätern und Opfern, übereinstimmend eine Gleichverteilung von Gewalt in engen sozialen Beziehungen an (vgl. Schwithal 2005, Lamnek & Boatcâ 2003).

 

Häusliche Gewalt ist nicht ein Phänomen des Geschlechts eines Menschen, wenn Häufigkeiten zu ungunsten von Mann oder Frau ermittelt werden (vgl. Lupri 2004, Bock 2003a, 2003b, Kelly 2003). Aus Dunkelfeldstudien wissen wir, dass der Anteil von gewalttätigen Familien, gemessen an der Gesamtbevölkerung eines Landes, in etwa bei 5 - 15 % liegt.

 

 

  1. Erklärungsmodelle für häuslicher Gewalt

 

Zum Abschluss möchte ich einen kursorischen Überblick von Erklärungsmodellen für häusliche Gewalt geben (vgl. Schick 2004).

 

Werden die in meinen Ausführungen gemachten Einschränkungen (vgl. Kelly 2003) bezüglich der Interpretation und Aussagekraft von Hellfeldzahlen aufgenommen und überwunden, so öffnet sich der Blick auf Gewalt, für eine Vielzahl möglicher Erklärungsansätze und damit auch möglicher Gewaltakteure und darüber hinaus für neue Formen der Intervention, also Prävention, Beratung und Therapie (vgl. Müller 2003).

 

Hier wären folgende theoretische Bezugssysteme zu nennen: Psychopathologische- und psychoanalytische Erklärungsansätze (Personenzentrierte Theorien); die sozialen Lerntheorien, stresstheoretische – und symbolisch - interaktionistisch orientierte Ansätze (Sozialpsychologische Theorien); ressourcen- und austauschtheoretische und feministisch- patriarchatskritische Erklärungsansätze (Soziokulturelle Theorien) sowie multifaktorielle Ansätze.

 

“Psychopathologische Ansätze betrachten aggressives Verhalten als Folge von charakteristischen Auffälligkeiten, Persönlichkeitsstörungen und Intelligenzdefiziten des Täters / der Täterin. [...] Die soziale Lerntheorie [...] besagt, dass Individuen die Tendenz haben, sich neue (und komplexe) Verhaltensweisen anzueignen, indem sie Verhaltensweisen an Anderen (und deren Konsequenzen im realen Leben) oder an symbolischen Vorbildern beobachten. [...] Stresstheorien gehen von der Grundannahme aus, dass Gewalt durch bestimmte Formen stressbehafteter Belastungen ausgelöst wird.“ [...] In symbolisch-interaktionistisch orientierten Ansätzen [...] wird eine Handlung (also z.B. Gewalt) nicht aufgrund objektiv zu messender Kriterien zu einer Gewalttat, sondern erst durch die von den Individuen der entsprechenden Handlung zugeschriebenen Bedeutungen. Soziostrukturelle Theorien [...] “verbinden individuelle Faktoren (z.B. Aggression) mit sozialen Strukturen“ (z.B. Macht, Klasse) und erklären so dass Zustandekommen von Gewalt. “Ressourcentheoretische Ansätze gehen davon aus, dass Individuen oder Gruppen mit bestimmten Mitteln versuchen ihre Ziele durchzusetzen“, die dann zur Androhung oder Ausübung von Gewalt führen können. [...].“Multifaktorielle Ansätze kombinieren verschiedene Faktoren als verursachende Aspekte miteinander“ (Schick 2004). Die angeführte Aufzählung von Erklärungsansätzen ist nicht vollständig. Diese ließe sich noch erweitern.

 

 

  1. Literatur:

 

Arnhold, Susann (2004): Häusliche Gewalt gegen Männer in heterosexuellen Partnerschaften - ein soziales Problem? Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, Leipzig (HTWK). Unveröffentlichte Diplomarbeit.

 

Amendt, Gerhard (2004): Scheidungsväter. Institut für Geschlechter- und Generationenforschung, Bremen. (Abschlussbericht der Väterstudie)

 

Badinter, Elisabeth (2004): Die Wiederentdeckung der Gleichheit. Ullstein Hc.

 

Bock, Michael (2003a): Natürlich nehmen wir den Mann mit. Über Faktenresistenz und Immunisierungsstrategien bei häuslicher Gewalt. Lamnek, Siegfried & Boatcá, Manuela (Hrsg.) : Geschlecht – Gewalt – Gesellschaft. Leske & Budrich, Opladen.

 

Bock, Michael (2003b): Selektive Wahrnehmung führt zum Mythos männlicher Gewalt. Häusliche Gewalt - ein Problemaufriss aus kriminologischer Sicht.

In: Sicherheit und Kriminalität. Heft 1/ 2003, Hrsg: Landeszentrale für politische Bildung, Baden-Württemberg.

 

Bock, Michael (2001): Sachverständigengutachten “Gewaltschutzgesetz“- Anhörung beim Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 20.06.01. Universität Mainz. In: Sticher-Gil, B. (Hrsg.) (2002): Gewalt gegen Männer - ein vernachlässigtes Problem!? Dokumentation einer Tagung am 18. November in der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Berlin.

 

Brauner, Uwe (2004): Feministischer Fundamentalismus in der "Evangelischen Theologie"? (http://www.maennerbuero-trier.de/seite7-7.htm)

 

Drinck, Barbara (2005): Vatertheorien. - Geschichte und Perspektiven. Budrich, Opladen.

 

Fiebert, Martin S. (2001): References Examining Assaults by Women on their Spouses or Male Partners: An annotated Bibliography. Department of Psychology, California State University, Long Beach. (http://www.csulb.edu/~mfiebert/assault.htm)

 

Gordon, Linda (1994): Gewalt in der Familie, Feminismus und soziale Kontrolle. In: Kaiser, Nancy (Hrsg.): Selbst Bewusst. Reclam, Leipzig.

 

Graumann, C. F. (1960): Eigenschaften als Problem der Persönlichkeitsforschung. In: Lersch, P.; Thomae, H. (Hrsg.): Persönlichkeitsforschung und Persönlichkeitstheorie. Handbuch der Psychologie Bd. 4, Göttingen (Hogrefe). 87-154.

 

Habermehl, Anke (1989): Gewalt in der Familie. - Ausmaß und Ursachen körperlicher Gewalt. Dissertation, Universität Bielefeld.

 

Kelly, Linda (2003): Disabusing the Definition of Domestic Abuse: - How Women Batter Men and the Role of the Feminist State. Florida State University, Law Review - Summer 2003. (http://www.law.fsu.edu/journals/lawreview/downloads/304/kelly.pdf)

 

Lamnek, Siegfried & Ottermann, Ralf (2004): Tatort Familie. - Häusliche Gewalt im gesellschaftlichen Kontext. Leske + Budrich.

 

Lamnek, Siegfried & Boatcá, Manuela (2003) (Hrsg.) : Geschlecht – Gewalt – Gesellschaft. Leske & Budrich, Opladen.

 

Luedtke, Jens & Lamnek, Siegfried (2002): Schläge in jeder dritten Familie. - Studie zu Gewalt in bayerischen Familien - Kinder am häufigsten Opfer. In: Magazin "Agora" der Katholischen Universität Eichstätt, Nr. 1 / 2002, S. 8-9.

 

Lupri, Eugen (2004): Institutional Resistance to Acknowledge Male Abuse. Paper presented at the Counter-Roundtable Conference on Domestic Violence, Calgary, Alberta, Canada, May 7, 2004. (http://www.maennerbuero-trier.de/seite7-6.htm)

 

Mansel, Jürgen (2003): Die Selektivität strafrechtlicher Sozialkontrolle. Frauen und Delinquenz im Hell- und Dunkelfeld, als Täter und Opfer, als Angezeigte und Anzeigende. In: Lamnek, Siegfried & Boatcá, Manuela (Hrsg.): Geschlecht – Gewalt – Gesellschaft. Leske & Budrich, Opladen.

 

Müller, Joachim (2003): Kinder, Frauen, Männer. - Gewaltschutz ohne Tabus. In: Lamnek, Siegfried & Boatcá, Manuela (Hrsg.): Geschlecht – Gewalt – Gesellschaft. Leske & Budrich, Opladen.

 

Popp, Ulrike (2003): Das Ignorieren "weiblicher" Gewalt als Strategie zur Aufrechterhaltung der sozialen Konstruktion von männlichen Tätern. In: Lamnek, Siegfried & Boatcá, Manuela (Hrsg.): Geschlecht – Gewalt – Gesellschaft. Leske & Budrich, Opladen.

 

Schick, Corinna (2004): Aggressives Verhalten in der Paarbeziehung: Der Mann als Opfer und die Frau als Täterin. Unveröffentlichte Diplomarbeit: FH Würzburg-Schweinfurt-Aschaffenburg.

 

Schmitt, Stefan (2001): Geschlecht und Kriminalität – Eine empirische Analyse der Power-Control-Theory. In: Eifler, Stefanie et al. (Hrsg.): Soziale Probleme, Gesundheit und Sozialpolitik. - Gelegenheitsstrukturen und Kriminalität. Materialien und Forschungsberichte der Universität Bielefeld, Nr. 2, S. 84 ff.

 

Schwithal, Bastian (2005): Weibliche Gewalt in Partnerschaften.  - Eine synontologische Untersuchung. BoD GmbH, Norderstedt. ISBN: 3-8334-3156-3. Dissertation Universität Münster.

 

Steiner, Silvia (2004): Die Familie als Tatort. - Eine Studie über häusliche Gewalt in der Stadt Zürich. Rüegger, Schweiz.

 

Wilde, Helmut (2002a): Leserbrief wg. "Lief Herr S. Amok?" von Gerhard Hafner, Heft 152. In: Switchboard - Zeitschrift für Männer- und Jungenarbeit, Nr. 153, August/September, ISSN: 1 433 3341.

 

Wilde, Helmut (2002b): Liebe und Gewalt. - Wenn Frauen zu Täterinnen werden. Switchboard - Zeitschrift für Männer- und Jungenarbeit, Nr. 154, Oktober / November. ISSN: 1 433 3341.

 

 

Copyright © 1998 - 2009 Talisman Männerbüro Trier e.V.

Stand: 03. November 2009 

 

 

[3] Gewalt von Frauen gegen Männer - Agora 1, 2009, Seiten 29ff.

 

http://www.ku-eichstaett.de/uploads/media/Agora_1_2009_02.pdf

 

Gewalt von Frauen gegen Männer

 

Gewalt in unserer Gesellschaft – ein viel diskutiertes Thema in Massenmedien und Wissenschaft. Dabei liegt der Fokus in der Regel auf Gewalt, die von Männern ausgeht. Gibt es umgekehrt keine Gewalt von Frauen gegen ihre Lebenspartner oder handelt es sich um ein Tabuthema?

 

Von Susanne Vogl

 

Gewalt in Partnerschaften geriet vor allem Dank der Frauenbewegung in den 1970er Jahren in das öffentliche Interesse. Die lange als legitim angesehene Gewaltanwendung eines Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau wurde thematisiert und als soziales Problem erkannt. Gewalt gegen Frauen galt als Zeichen einer nicht gelungenen Gleichberechtigung und als Fortsetzung des Patriarchats. Daher ist es nicht verwunderlich, dass stets Männer als Täter in den Fokus gerieten. Außerdem wird in unserer Kultur das männliche Geschlecht vor allem mit Macht und Kontrolle in Verbindung gebracht. Ein Mann als Opfer (noch dazu von seiner weiblichen Partnerin) erscheint als kulturelles Paradox. Einseitige Forschung(sförderung) und Berichterstattung tragen ihren Teil dazu bei, diese geschlechter stereotype Verteilung von männlichem Täter und weiblichem Opfer aufrecht zu erhalten und zum Vorurteil zu verfestigen.

 

Wissenschaftliche Forschung zum Thema Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften gab es im deutschen Sprachraum – im Gegensatz zu den USA beispielsweise, wo bereits rund 20 Jahre vorher erste repräsentative Studien durchgeführt wurden – erst in den 1990er Jahren. Noch später erwachte das Interesse an der Gewalt von Frauen gegen Männer. Wissenschaftliche Studien dazu sind in Deutschland immer noch rar. Dabei zeigen einige Untersuchungen aus anderen Ländern etwa gleich häufige männliche wie weibliche Täterschaft in Partnerschaften, wenn auch mit unterschiedlichen Gewaltformen und unterschiedlicher Schwere von (physischen) Verletzungen. Es gibt also guten Grund, männliche Gewaltopfer in Familien und Partnerschaften auch in Deutschland zu untersuchen.

 

In einer Telefonumfrage des Lehrstuhls für Soziologie und empirische Sozialforschung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt wurde der Frage nach männlichen Gewalterfahrungen in (heterosexuellen) Partnerschaften nachgegangen. In einer bayernweiten Befragung wurden 2007 rund 1.000 zufällig ausgewählte Männer im Alter von 21 bis 70 Jahren zu Gewalterfahrungen in ihrer aktuellen bzw. in ihrer letzten Partnerschaft befragt. Die Stichprobe wurde nach drei Gemeindegrößenklassen – ländliches Gebiet, Mittelstadt, Großstadt – geschichtet. Aus den zufällig ausgewählten bayerischen Verwaltungseinheiten wurde eine Einwohnermeldeamtsstichprobe gezogen. Über das Telefonbuch wurden – soweit möglich – die passenden Telefonnummern zu den erhaltenen Adressen recherchiert. Per Anschreiben wurde die Hälfte der Zielpersonen vorab über die beabsichtigte Befragung informiert und anschließend mit der Bitte angerufen, am Telefoninterview teilzunehmen. Von 2.789 Zielpersonen, von denen eine Telefonnummer ermittelt werden konnte, nahmen 1.005 auch tatsächlich am telefonischen Interview teil. In 1.063 Fällen wurde das Interview verweigert. Weitere 721 Fälle waren nicht erreich- oder interviewbar. Ausgewählte Ergebnisse dieser Studie werden im Folgenden präsentiert.

 

Wie äußert sich die Gewalt gegen Männer in Partnerschaften? Gewalt kann unterschieden werden in die Anwendung physischen, psychischen und verbalen Zwangs als Mittel der Zielerreichung. Zwischen diesen einzelnen Formen von Gewalt ergaben sich bezüglich der berichteten Häufigkeit – Antwortmöglichkeiten waren „oft“, „gelegentlich“, „selten“ oder „nie“ – deutliche Unterschiede:

 

Der Anteil der „gewalterfahrenen“ Männer war erstaunlich hoch: 84% (847) hatten in ihrer derzeitigen bzw. in der letzten Partnerschaft, mindestens einmal Gewalt erfahren und 27% (271) lebten sogar in einer stark Gewalt belasteten Beziehung. Für die Untersuchung wurde ein Gewaltindex erstellt, bei dem für jede Person alle Gewaltarten aufaddiert wurden. Die Antwort „nie“ bei der Frage nach der Häufigkeit des Auftretens einzelner Gewaltarten erhielt dabei den Wert 0, die Antwort „selten“ den Wert 1, „gelegentlich“ den Wert 2 und „oft“ den Wert 3. Wer insgesamt über den Wert 5 kommt, gilt als stark gewaltbelastet.

 

Bei nur rund 16% (158) kam keinerlei Gewalt vor, bei 17% kam eine der Gewaltarten mindestens „selten“ vor, die restlichen zwei Drittel erlebten zwei oder mehr Gewaltarten mindestens „selten“. Gewalt von Frauen gegen Männer in Familien und Partnerschaften ist also durchaus ein sozial relevantes Phänomen und Problem. Verbale Gewalt durch die Partnerin wurde von knapp drei Vierteln (739) der befragten Männer erfahren. Sie umfasst in dieser Studie „Beleidigungen“ und „Anschreien“. Von den betroffenen Männern erlebten knapp 7% mindestens eine der Ausprägungen verbaler Gewalt „oft“ und immerhin 30% „gelegentlich“.

 

Psychische Gewalt ist ein Angriff auf das seelische Wohl einer Person. Für unsere Studie wurden „Ignorieren“, „Drohen zu Verlassen“ und „Bezeichnen als schlechter Liebhaber“ stellvertretend für psychische Gewalt erhoben. Gut zwei Drittel der Männer (676) wurden bereits Opfer psychischer Gewalt ihrer Partnerin. Davon erlitt sogar jeder Zehnte mindestens eine der Gewaltformen „oft“, fast jeder Dritte „gelegentlich“. Physische Gewalt zielt auf eine Schädigung der körperlichen Unversehrtheit ab und wurde gemessen durch Fragen nach „Stoßen oder Schubsen“, „Ohrfeige“, „Bedrohen mit einer Waffe“ und „Schlagen mit einem Gegenstand“. In immerhin 13% (130) der Partnerschaften kam es zu mindestens einer dieser Verhaltensweisen. Partnerschaften, bei denen mindestens eine Form physischer Gewalt „oft“ vorkam, machen daran einen Anteil von 3% aus (und mithin unter 1% an der gesamten Population). „Gelegentlich“ erlebten davon 17% mindestens eine dieser Gewaltausprägungen (ca. 3% der Gesamtpopulation). Darüber hinaus wurde nach Gewalt gegen Gegenstände gefragt, die darauf zielt, das Opfer emotional bzw. psychisch zu verletzen. Die jeweilige Partnerin zerstörte nur in 6% (62) der untersuchten Fälle absichtlich das Eigentum des Mannes. Damit spielt diese Gewaltart eine eher untergeordnete Rolle. 

 

Fazit: Frauen wenden weniger physische als vielmehr psychische und vor allem verbale Gewalt gegen ihre Männer an. Kommt es zu physischer Gewalt, dann bleibt es fast immer bei „seltenen“ Gewaltanwendungen, wohingegen psychische und verbale Gewalt deutlich häufiger aufzutreten scheinen. Außerdem zeigte sich: Wenn Gewalt auftritt, dann in der Regel nicht nur in Form einer der erfragten Gewalthandlungen, sondern gleich auf verschiedene Weise. Gut drei Viertel (77%; 673) der gewaltbelasteten Männer sind „multipel“ betroffen. Entgegen den kulturell gängigen Vorstellungen, erleben also die meisten Männer Gewalt durch ihre Partnerin, meist sogar auf vielfältige Weise.

 

Wie reagieren Männer auf diese Gewalterfahrungen? Welche Konsequenzen treten ein? Hat ein Mann irgendeine Form der Gewalt erlebt, wurde nach seiner Reaktion darauf gefragt. Eine Reaktionsform ist die „Gegengewalt“: Drei Viertel der Männer (636) haben sich gegen die Gewalt ihrer Partnerin in irgendeiner Form gewehrt. Die meisten griffen auf verbale Gewalt zurück: 70% (594) aller Männer mit Gewalterfahrung haben ihre Partnerin als Reaktion angeschrieen. In den meisten Fällen war dies die Antwort auf vorausgegangene verbale Gewalt der Partnerin (96%; 567). Nur 6% (40) haben sich körperlich gewehrt, wobei in drei Viertel dieser Fälle auch physische Gewalt der Partnerin vorausging. Gewalt ist also nicht immer eine Einbahnstraße. Tendenziell wird mit der Gewaltart „geantwortet“, die voraus ging.

 

Häufiger als Gegengewalt waren eher konstruktive Reaktionen des Mannes: Fast alle Männer versuchten nach der Gewalterfahrung, mit ihrer Partnerin darüber zu sprechen (98%; 829). Genauso haben fast alle darüber nachgedacht, was sie selbst falsch gemacht haben könnten (98%; 829), suchten also den Fehler (auch) bei sich. Konsequenzen wurden aber kaum gezogen: Nur in sehr seltenen Fällen war eine vorübergehende Trennung die Folge (8%; 69). Auch (externe) Hilfe wurde kaum in Anspruch genommen: Nur ein Drittel der Männer hat sich aufgrund des Gewaltverhaltens der Partnerin an andere gewendet. Von denjenigen, die keine Hilfe gesucht haben, hat immerhin noch jeder Zehnte darüber nachgedacht, Hilfe zu suchen. Wenn Hilfe gesucht wurde, dann vor allem informell, d.h. bei Freunden (74%; 214) und Verwandten (32%; 93). An offizielle Stellen, wie Polizei oder einen Arzt, wandte sich dagegen kaum einer der Männer (insgesamt rund 5%; 15). Die meisten Männer versuchen, ohne Hilfe von außen mit der Gewalt zurecht zu kommen.

 

Dass fast zwei Drittel (64%; 344) der von Gewalt betroffenen Männer sagten, sie hätten keine Hilfe gesucht, weil sie kein Problem im Verhalten ihrer Partnerin sahen (selbst über die Hälfte der Männer mit starker Gewaltbelastung stimmten dieser Aussage zu!), könnte der Versuch der Bewältigung einer kognitiven Dissonanz sein. D.h. mit dem Herunterspielen der erfahrenen Gewalt wird versucht, das Bild der hegemonialen Männlichkeit aufrecht zu erhalten. Da Männer, die von ihren Partnerinnen misshandelt wurden, nicht dem kulturellen Männlichkeitsbild entsprechen, tendieren sie dazu, keine Hilfe zu suchen oder mit keinem anderen weitergehend über ihre Erfahrungen zu sprechen. Das Bild eines Mannes als Opfer des „schwachen Geschlechts“ passt ebenso in unsere tradierte Kultur wie die Frau als Gewalttäterin in Familie und Partnerschaft.

 

Die psychischen Folgen für den Mann lassen sich anhand einiger Fragen dazu nur erahnen: Jeder zweite Mann, der Gewalt erfahren hatte, schlief nach eigenen Angaben danach schlecht. Knapp 60% (486) fühlten sich niedergeschlagen. Jeder vierte Mann gab an, weniger Appetit gehabt zu haben (28%; 239). Je stärker die Gewaltbelastung in einer Beziehung, desto häufiger wurde von solchen Auswirkungen berichtet. Vor allem Niedergeschlagenheit ist mit der Gewaltbelastung korreliert. Außerdem scheint die allgemeine Lebenszufriedenheit umso geringer, je höher die Gewaltbelastung in einer Partnerschaft. Besonders leidet darunter natürlich die Zufriedenheit mit der Partnerschaft selbst, aber auch die Zufriedenheit des Mannes mit sich selbst und damit sein Selbstwertgefühl. Gewalterfahrungen durch die eigenen Partnerinnen haben also einen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden der Männer und sollten nicht bagatellisiert werden. Trotzdem suchen nur wenige Männer Hilfe. Diese Resultate unterstreichen die Notwendigkeit, auch Gewalt gegen Männer in Partnerschaften ernst zu nehmen.

 

Wer ist besonders von Gewalt betroffen? Eine Analyse möglicher Risikofaktoren ergab, dass weder das Bildungsniveau, der zur Verfügung stehende Wohnraum pro Person, noch das Einkommen oder die Stellung im Beruf des Befragten oder seiner Partnerin einen nennenswerten, signifikanten Einfluss auf die Gewaltbelastung einer Beziehung haben. Dies gilt ebenso für die Gemeindegrößenklasse. Auch die Dauer der Partnerschaft hat keinen Einfluss auf die interne Gewaltbelastung, d.h. sie nimmt nicht mit der Beziehungsdauer zu. Lediglich das Alter des Befragten hat einen geringen Einfluss: Je jünger die Befragten, desto höher die Gewaltbelastung. Gleiches gilt für das Alter der Partnerin, weil erwartungsgemäß das Alter des Befragten sehr stark mit dem seiner Partnerin korreliert. Gewalt von Frauen gegenüber ihren Partnern kommt mithin in allen sozialen Schichten, sowohl auf dem Land als auch in der Stadt vor. Nur Jüngere sind etwas stärker von Gewalt betroffen.

 

Fazit: Es gibt sie, die Gewalt gegen Männer in Partnerschaften, und zwar mit einem doch überraschend hohen Anteil und mit deutlichen Folgen für das (psychische) Wohlbefinden des Mannes. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es ging in unserer Studie nicht darum herauszufinden, ob Männer oder Frauen (quantitativ und/oder qualitativ) gewalttätiger sind, wer mehr leidet oder für wen die Folgen schwerwiegender sind. Auch Schuld zuweisungen wären völlig fehl am Platz. Vielmehr gilt, dass jeder Mensch – unabhängig von Alter Geschlecht, Bildungsstand etc. – ein Recht auf Schutz vor Gewalt und auf Hilfe bei einer Opferwerdung hat. Die Hilfe muss aber auch gesucht und angenommen werden. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass nur ein Drittel der Betroffenen Hilfe in Anspruch genommen hat.

 

Wie können also die viktimisierten Männer unterstützt werden? Das größte Problem und ein Hinderungsgrund, Hilfe in Anspruch zu nehmen, dürften tradierte kulturelle Männlichkeitsbilder sein. Ein erster Schritt, um die Situation der männlichen Opfer zu verbessern, wäre daher, ein öffentliches Bewusstsein für den Problembereich Gewalt gegen Männer zu schaffen. Da für unser Handeln das, was wir für real halten, relevant ist (und Gewalt von Frauen gegenüber Männern in Partnerschaften gibt es in unseren Vorstellungen demnach nicht), gilt es als erstes, am Männlichkeitsbild zu arbeiten. Wenn unsere Gesellschaft wahrnimmt und anerkennt, dass auch Männer Opfer (von Frauen) sind und sein können, dann dürfte auch die Hemmschwelle von Männern sinken, tatsächlich Hilfe zu suchen. Präventions- und Interventionsstrukturen könnten verbessert werden und besser den spezifischen männlichen Bedürfnissen angepasst werden.

 

Susanne Vogl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung. Die hier vorgestellte Studie entstand im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes.

 

 

 

 

[4] Präventives Elterntraining für alleinerziehende Mütter geleitet von ErzieherInnen

 

http://www.palme-elterntraining.de

 

Über PALME

 

PALME – Präventives Elterntraining für alleinerziehende Mütter geleitet von ErzieherInnen.

 

Ein Unterstützungsprogramm für alleinerziehende Mütter und ihre Kinder.

 

Wissenschaftliche Leitung:

 

Prof. Dr. Matthias Franz

Klinisches Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Tel 0211-8118338, Fax 0211-8116250

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Gefördert vom BMBF im Rahmen des Förderschwerpunktes "Präventionsforschung" (GFEL 01068604)

 

Ausgangssituation

 

In Deutschland wachsen etwa 20% aller Kinder bei nur einem Elternteil - in 85% bei der Mutter - auf. Ca. 600.000 dieser Kinder sind unter 6 Jahre alt. Viele alleinerziehende Mütter und ihre Kinder kommen mit ihrer Lebenssituation gut zurecht. Internationale und inzwischen auch deutsche Studien belegen aber auch eine erhöhte gesundheitliche und seelische Belastung alleinerziehender Mütter und ihrer Kinder. Diese kann nicht ausschließlich durch die im Mittel deutlich schlechtere wirtschaftliche Situation dieser Familien erklärt werden. Eine konflikthafte Abwesenheit des einen und eine strukturelle Überforderung des anderen Elternteils teilen sich vielen Kindern in Einelternfamilien mit und bewirken bei ihnen in Kindergärten und Schulen dann überdurchschnittlich häufig Anpassungsprobleme.

 

Entwicklungspsychologische Aspekte

 

Alle Einflüsse, welche die zuverlässige und feinfühlige Beziehungsaufnahme der Mutter zu ihrem Kind beeinträchtigen, können langfristig einen negativen Einfluss auf dessen seelische Entwicklung sowie die sozialen und schulischen Fähigkeiten ausüben. Dies gilt besonders, wenn keine Schutzfaktoren - wie z. B. eine weitere emotional positiv eingestellte und zuverlässig verfügbare Bezugsperson für das Kind - vorhanden sind. Beispielsweise sind seelisch belastete Mütter oder Mütter in schweren Partnerschaftskrisen in ihrer emotionalen Zuwendungsfähigkeit eingeschränkt und dann häufig selber unterstützungsbedürftig. Nach neueren Umfragen sind etwa 2/3 der alleinerziehenden Mütter mit ihrer Lebenssituation unzufrieden. In dieser Situation haben es alleinerziehende Mütter besonders schwer, den vielfach an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden und sich gleichzeitig einfühlsam ihrem Kind zuzuwenden. Aus diesem Grund wünschen sich viele alleinerziehende Mütter eine speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Unterstützung.

 

Das Besondere an PALME

 

Genau hier setzt PALME als Elterntraining für alleinerziehende Mütter und ihre Kinder an. Es handelt sich um ein

 

strukturiertes Elterntraining über 20 Sitzungen á 90 Minuten

für alleinerziehende Mütter mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter

auf bindungsorientierter, emotionszentrierter Grundlage

geleitet von einem geschulten Leiterpaar

Gruppengröße 10 - 12 Mütter

wohnortnah, Angebot von Kinderbetreuung

Supervision durch einen ausgebildeten Supervisor

 

Das bindungstheoretisch fundierte Konzept und die didaktische Aufbereitung von PALME wurde in Zusammenarbeit mit Ärzten, Psychologen und Erzieherinnen in zehnjähriger Vorarbeit entwickelt, erprobt und wissenschaftlich evaluiert. Es konnte nachgewiesen werden, dass PALME einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden und die Stimmung der teilnehmenden Mütter ausübt und die Beziehung der Mütter zu ihren Kindern stärkt.

 

Ziele und Ablauf der PALME-Gruppen

 

PALME hat folgende Hauptziele

 

Stabilisierung der Mutter-Kind-Beziehung

Stärkung der intuitiven Elternfunktionen

Besserung der Einfühlung in das Erleben des Kindes

Bearbeitung unbewusster Wahrnehmungs- und Erziehungstendenzen

Einübung sozialer und elterlicher Kompetenzen

 

Alle Gruppensitzungen sind klar gegliedert und in einem gut verständlichen Manual sehr genau beschrieben. In jeder Gruppensitzung erhalten die teilnehmenden Mütter Informationen. Diese reichen von rechtlichen Themen bis hin zu entwicklungspsychologischen Fragen und der Bewältigung von Alltagsproblemen. Diese Informationen helfen den Müttern ihre Situation und die Bedürfnisse ihres Kindes besser wahrzunehmen und zu verbessern. Während der Gruppensitzungen werden typische Konflikte Alleinerziehender z.B. in Rollenspielen und Grüppenübungen bearbeitet. Hier geht es vor allem um die Trennung Elternverantwortung von der Ebene des Paarkonfliktes. Schließlich werden mittels kindgerechter Mutter-Kind-Übungen für Zuhause die feinfühlige Wahrnehmung der Bedürfnisse des Kindes und die Lösung bestehender Konflikte gefördert.

 

Die 20 Gruppensitzungen sind zur Erreichung dieser Ziele in 4 Module gegliedert, die sich sinnvoll ergänzen und auf einander aufbauen.

 

Im ersten Modul wird die Selbstwahrnehmung der Mütter gefördert, Rollenanforderungen, Belastungen, Fähigkeiten und die dazugehörigen Emotionen erarbeitet.

 

Im nächsten Schritt geht es dann um die Wahrnehmung des Kindes und die Einfühlung in dessen Entwicklungsbedürfnisse nach Bindung und Exploration.

 

Schließlich wird im dritten Modul die Situation in der Gesamtfamilie und auch die Rolle des Ex-Partners thematisiert, sowie damit zusammenhängende Konflikte auch im Hinblick auf die Lebensgeschichte der Mütter bearbeitet.

 

Erst nach diesen Grundlagen wird im vierten Schritt auf Verhaltensebene nach neuen Wegen und Lösungen zur Bewältigung von Konflikten im Alltag der Familien gesucht und eingeübt.

 

Die Gruppen werden von zwei speziell dafür geschulten Gruppenleiterinnen, bzw. Gruppenleitern (s. Schulung) durchgeführt. Durch diese gemeinsame Leiterfunktion ist ein lebendiger und abwechslungreicher Gruppenablauf garantiert. Vorteilhaft, aber nicht zwingend notwendig, ist die Gruppenleitung durch sowohl einen Erzieher als auch eine Erzieherin.

 

Schulung

 

Das Gruppenprogramm wird im Rahmen von dreitägigen Trainingsseminaren (zusammen mit anderen Inhalten wie Grundlagen der Gruppendynamik, Gesprächstechnik, Entwicklungspsychologie und Bindungstheorie) an qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher vermittelt. Basis hierfür ist das ausführliche Manual zusammen mit dem sorgfältig aufbereiteten didaktischen Material.

 

 

[5] Ergebnis: Ziele und Absichten des Düsseldorfer Kreis / Bericht

 

http://www.maennerpartei.eu/index.php/mp-intern/77-mp-intern-/231-ergebnis-zielen-und-absichten-des-duesseldorfer-kreis-bericht

 

 

Bericht vom 1. Treffen der Vätervereine in und um Düsseldorf und in NRW (Düsseldorfer Kreis)

 

 

Am Sonntag, 4. Oktober 2009 lud die Männerpartei zum Kennenlerntreffen Vereine und Gruppierungen ein, die sich der Männer-, Väter- und Jugendamtsopferarbeit widmen. Geballte Kompetenz zeigte sich beim gemeinsamen Brunch mit Kurzvorträgen und Vorstellung der 15 anwesenden Vereine und Gruppierungen. Ziel des Treffens war es, dass die Vereine sich untereinander besser kennen lernen und miteinander vernetzen, um gemeinsame Stärken auszubilden und sich gegenseitig zu ergänzen.

 

Die Entstehungsgeschichte der Vereine lässt sich oft darauf zurück führen, dass man ein Defizit erkannt hat und dem man abhelfen möchte. So wurde das vatersein.de Internet Forum gegründet. Oft passiert es, dass man hilfreiche Antworten bekommt, aber man wird auch oft angefeindet oder löst mit seiner Anfrage Streitigkeiten unter den Beteiligten aus. Das wollte vatersein.de besser machen. Mit 8500 registrierten Usern ist vatersein.de heute mit Abstand das bedeutendste Internet Forum der Väterszene.

 

Auf der Seite pappa.com werden bis heute sehr viel Information aus der Väterwelt zusammen getragen. Die Initiatoren fanden sich in einer Gruppe einer Beratungsstelle zusammen und erstellten so das Informationsportal. Die Kind-Vater-Mutter Begegnungsstätte soll neben der Begegnung auch Zufluchtsort für notleidende Väter sein und entsorgen Vätern und Mutter bei der Integration in die Gesellschaft unterstützen. Je nach den Möglichkeiten werden derzeit die Räume renoviert und ausgebaut.

 

Eine politische Stimme möchte dieser Bewegung die Männerpartei geben, was sich als schwierig herausstellte. Eine kleine Partei kann nicht viel bewegen, trotzdem wurde einiges erreicht, so dass Richter und Gutachterverbände sich heute nicht mehr so eng verbünden können und ungerechte Finanzierung von Frauenhäusern gerät ins Wanken. Als größtes Hindernis wird der Anwaltszwang gesehen. Hohe Kosten können viele Eltern nicht stemmen und für Freiwilligkeit müssten Anwälte ihre Attraktivität erhöhen. Politische Sensibilisierung und gesellschaftliche Aufklärung findet rund um das Thema männliche Gewaltopfer statt. Klare Regeln führen dazu, dass man nicht zu Gericht gehen muß, durch die derzeit herrschende Einzelfallgerechtigkeit kann aber sich im derzeitigen Rechtssystem jeder der beiden Kontrahenden vor Gericht durchsetzen. Jeder Richter entscheidet, je nach täglicher Laune, wer da heute gewinnen soll. Prozessbeobachter setzen sich in Gerichtsverhandlungen und erstellen ein Buch der Best Practices.

 

Der Väterwiderstand ist noch in der Entstehung und wurde Anfang des Jahres gegründet und berichtet beim nächsten Treffen ausführlich von den Arbeiten.

 

„Vielen Dank nochmals für die tolle Organisation des "Familierechtstreffs"!“

 

Ende des Jahres wird ein Verein gegründet, der sich Agens nennen wird. Beteiligt ist ein Autorenkreis, der über ein großes Wissen in der Männerarbeit verfügt. Heute sind zunehmend Männer und Jungen von Defiziten in der Gleichberechtigung betroffen. Lösungsansätze sollen politisch und gesellschaftlich wirksam untergebracht werden. Hierzu ist auch die Durchführung einer Pressekonferenz, Podiumsdiskussionen und ein Kongress geplant. Werkstattberichte und Einzelerfahrungen sollen eingebunden werden, um das ganze plastischer darstellen zu können.

 

In Düsseldorf gibt es zwei kleine Vereine, die Düssel Moms and Dads und Childpeace. Am Japantag trafen sich die Väter von Düssel Moms and Dads und veranstalteten von nun an Infostände. Veranstaltungen werden für wichtiger angesehen als Internetangebote. Childpeace trifft sich alle zwei Monate zu gemeinsamen Gesprächen.

 

Die Väterarbeit des Bundes freier evangelischer Gemeinden geht mit seiner neugegründeten Gruppe Vaterliebe auf die Probleme von Trennungsväter ein und möchte den Gemeinden helfen, Unterstützung für Trennungsväter aufzubauen. Das christliche Weltbild von Vaterschaft und die Verschiedenheit der Geschlechter stehen im Focus und der Elternteil, der sich nicht trennen möchte, soll nach christlichen Aspekten gefördert werden. Die Kinder verbleiben aus Sicht der Vaterliebe beim ehetreuen Elternteil.

 

Die Vernetzung der Pressearbeit möchten die Jugendamtopfer.de fördern, damit auch spektakuläre Fälle von Inobhutnahmen in der deutschen Presse beachtet werden. Wünschenswert wären Listen von Ansprechpartnern vor Ort und Adresslisten von Anwälten, Beiständen und anderen Fachleuten, die notleidende Eltern unterstützen können. Wenn sich eine Tragödie ereignet hat und die Bevölkerung sieht dass man immer vor Ort ist, wirkt man glaubwürdiger. Wir müssen uns vernetzen und schnell reagieren können. Weder die Väter haben eine Lobby noch betroffene Mütter.

 

Eng zusammen arbeiten bereits die Großelterninitiative und die Eltern für Kinder im Revier. Die Großelterninitiative leistet gute Pressearbeit und unterstützt damit auch den EfKiR. Für Väter, die neu in die Gruppe kommen, wurde ein Leitfaden zusammengestellt, der eine erste Orientierung bietet. Betroffene werden in Form von Beistandschaft begleitet, auch zu Rechtsantragsstellen und Verwaltungsgerichten. Dadurch wurde auch eine Zusammenarbeit mit den Jugendämtern erreicht.

 

„Du brachtest einen Stein ins Rollen und es ist die Aufgabe der Beteiligten, daraus was zu machen.“

 

An den Erfahrungen, die Eltern von den PAS Eltern berichteten, hat sich eine Verfahrenspflegerin festgebissen. Männer betrachten sich oft als bedeutungslos und ziehen sich schnell zurück. In Würzburg fand die Tagung Familie und Schule statt, die dafür werben möchte, dass jeder Elternteil, auch ohne Sorgerecht, einen Kontakt zur Schule bekommt. Viele können fachlich nicht einschätzen, was sich bei einer Trennung abspielt und können daher auch nicht damit umgehen. Im April 2010 wird es in Berlin eine Veranstaltung geben, welche Ausbildung Fachkräfte wirklich brauchen, um notleidenden Eltern und Kindern zu helfen. Qualifizierte Arbeit bewirkt, dass man als Störenfried keine Aufträge mehr bekommt. Hier wollen die PAS Eltern etwas ändern.

 

Allgemein gibt es viel Gesprächsbedarf. Berührungsschwierigkeiten müssen überwunden werden, persönliche Eitelkeiten erschweren Gemeinsamkeit. Die einen möchten gerne alles unter einen Hut bringen, die anderen möchten ihre Individualität behalten. Öffentlichkeit birgt auch die Gefahr in sich, angreifbar zu werden und man scheut die juristische Auseinandersetzung. Eine Tagung der Vätervereine wäre eine gute Chance, von dieser Tagung aus neue Wege zu gehen.

 

Wenn man sich die Szene betrachtet sind alle Kompetenzen vorhanden, die man nun bündeln kann. Wir werden nicht bezahlt für unsere Arbeit, jeder hat seine eigene Herangehensweise. Manche gehen nicht mal zum Rechtsanwalt, weil sie sich die Kosten nicht leisten können oder möchten.

 

Wir sind einzelne Vereine, die Väterszene befindet sich noch in der Gründung und hat keine Lobby. Durch das Treffen entsteht Vertrauen in die Arbeit der anderen. Solange man nicht betroffen ist oder keinen betroffenen kennt, interessiert man sich nicht für das Thema und hält die Väterszene für eine seltsame Szene. Man hört einfach nicht zu. Es wird einem eingeredet man hätte doch sowieso keine Chance und solle aufhören.

 

Finanzieren lässt sich eine erfolgreiche Lobbyarbeit nur, wenn ein Verein die Strukturen der Mäzene nutzt, um an das Geld zu kommen. Neben Gruppenarbeit und Vernetzung brauchen wir Öffentlichkeit und Prominente, die unsere Sache unterstützen. Das, was wir erreichen wollen, schaffen wir nur, wenn wir mit professionellen Kräften arbeiten. Die Vernetzung können wir lassen, wenn wir die erforderliche Professionalität außer acht lassen.

 

„Ich wollte Menschen aus verschiedenen Organisationen kennenlernen, die aktiv unserer Sache nachgehen. Das Treffen ist insoweit wohl vollständig gelungen! Danke!“

 

Auf ehrliche Anfragen bekommt man auch erstaunlich ehrliche Antworten. So könnte man die Agens als wissenschaftlichen Pool nutzen.

 

 

In den anschliessenden Wahlen wurden folgende Schlagbegriffe für ein vorläufiges Manifest (Zielen und Absichten) beschlossen:

 

  1. §1618a BGB zum allgemeinen gesellschaftlichen Grundsatz werden lassen impliziert Aktives Handeln, dem Trend der Politik und Regierung entgegenarbeitendes möglichst schnell und effektiv wirkendes Handeln auf allen möglichen Ebenen
  2. Ausbildung von Richtern, Jugendämtern, Rechtsanwälten etc.
  3. Gesetzesänderungen und Änderungen der Streitkulturen
  4. Gleichberechtigte Elternschaft in Rechten und Pflichten
  5. Interesse der Scheidungskinder in den Medien propagieren
  6. Kindesentführung bestrafen §235 StGB
  7. Konkret benennen wie er sich persönlich einbringen kann und möchte (berufliche Ausbildung, Fähigkeiten, Talente, Kontakte)
  8. Schaffen einer gemeinsamen Kommunikationsplattform "Familienrecht"
  9. Umgangsboykott bestrafen
  10. Vernetzung

 

gez. die Teilnehmer