Nach jahrelangen hitzigen Diskussionen hat sich auch Frankreich entschlossen, Eltern die körperliche Züchtigung ihrer Kinder zu untersagen. Der Senat stimmte jetzt nach der Nationalversammlung einem entsprechenden Gesetz zu. Zuletzt hatten nur noch die Abgeordneten um Marine Le Pen das Recht der Eltern verteidigt, ihre Kinder mit einem Klaps auf den Po („la fessée“) oder einer Ohrfeige zu maßregeln. Die Abgeordnete Emmanuelle Ménard von Le Pens Partei RN beschwerte sich, der Staat mische sich in familiäre Angelegenheiten ein.

Knapp zwei Jahrzehnte nach Deutschland verabschiedet sich nun auch Frankreich mit dem Gesetz vom sogenannten Züchtigungsrecht aus dem 19. Jahrhundert. Die französische Staatssekretärin für Gleichstellung, Marlène Schiappa, hatte sich besonders für das Verbot eingesetzt. „Ich sehe nicht, was Schläge auf den Hintern und andere erzieherische Gewalt rechtfertigen könnten“, sagte sie. „Es gibt keine kleine Ohrfeige.“

Der Europarat in Straßburg hatte Frankreich zuvor dafür gerügt, dass es Prügelstrafen nicht gänzlich verbiete. Dem Komitee für soziale Rechte der Organisation lag eine Beschwerde der britischen Kinderschutzorganisation Approach vor. Frankreich verstoße gegen Artikel 17 der Europäischen Sozialcharta, mit der sich die Unterzeichnerstaaten verpflichteten, „jede Form“ von Gewalt gegen Kinder mit klaren, verbindlichen und präzisen Regeln zu unterbinden.

Erziehung ohne Gewalt gefällt nicht allen

Just während der französischen Präsidentschaft des Europarats hat sich das Land entschlossen, die Sozialcharta voll zu respektieren. So sollen Standesbeamte verpflichtet werden, bei jeder Eheschließung die Paare darauf hinzuweisen, dass sie gegenüber ihren Kindern keine Gewalt ausüben dürfen. Artikel 1 des Gesetzes soll im Standesamt vorgelesen werden.

Das Umfrageinstitut Ifop hat vor drei Jahren ermittelt, dass 85 Prozent der französischen Eltern gelegentlich Schläge als Erziehungsmittel anwenden. Rund 70 Prozent sprachen sich gegen ein Verbot der körperlichen Züchtigungen aus. Doch seither gab es einen Bewusstseinswandel. Das liegt auch an den Aufklärungskampagnen, die der Arzt und Leiter der Stiftung für das Kind, Gilles Lazimi, an öffentlichen Schulen organisiert. Prügelstrafen seien nicht nur ineffizient, sondern könnten auch die Entwicklung des kindlichen Gehirns beeinträchtigen, warnte Lazimi.

Als kürzlich ein Priester in Meaux bei einer Taufe den schreienden Täufling schlug, rief das eine Welle der Empörung in den sozialen Medien hervor. Der Priester wurde von der Kirche sanktioniert und darf keine Taufen mehr vornehmen. Aber Erziehung ohne Gewalt gefällt längst nicht allen Familienverbänden. Thierry Vidor von dem Verein Familles de France etwa befürchtet einen Verfall elterlicher Autorität, wenn das Gesetz in Kraft tritt. „Aufwachsen ohne Strafen ist verhängnisvoller als kleine physische Strafen zu erleiden“, sagte Vidor.